Tradingansätze - einmal anders betrachtet!
(Copyright by Georg Hierstetter)
Abgesehen von den "professionellen
Tradern" (Analysten bei den Banken, Fondgesellschaften,
Brokerhäusern, Vermögensverwaltungen etc) sind von der
Anzahl her die "privaten Trader"
doch überproportional oft auch in den Futuremärkten vertreten.
Diese Privat-Börsianer traden auf den unterschiedlichsten
Wegen und Handelsplattformen (Hausbanken, Discountbroker, Tradingcenter)
mit mehr oder weniger guter Technik, Schnelligkeit, Analysemöglichkeiten
und sehr unterschiedlichem Fachwissen!
Gerade dieser Umstand erzeugt ja die Spannung und Emotionalität
in den Märkten, da dadurch ein Teil der Tradingentscheidungen
nicht berechenbar ist!
Gründe hierfür sind:
- Emotionelle Einstiege ohne konkrete Signale,
- der zu schnelle Ausstieg aus den Märkten innerhalb der
Gewinnphase,
- die Angst, im Augenblick bereits verdiente Punkte wieder zu
verlieren,
- oftmals sinnloses Verharren in den Märkten,
- eine wesentlich höhere Leidensgrenze im Verlustfalle.
Primäres Problem des privaten Traders ist es, für sich
höchst persönlich eine Tradingleitlinie, zu finden, die
er allein umsetzen kann und innerhalb dessen Rahmen er sich (finanziell
und emotionell) "wohlfühlt".
Achtung:
Die Gefahr des Alleintradens wird sehr oft unterschätzt. An
Ihre Persönlichkeit werden große Anforderungen gestellt,
die nicht Jeder permanent erfüllt. Denken Sie nur an die tägliche
Selbstmotivation um wieder in die Märkte zu gehen, einen guten
Einstieg zu finden, einen Trade nervlich in seiner Gesamtheit wie
geplant durchzustehen und vor allem: Negative Trades zu verdauen
und als zum Ganzen gehörig zu betrachten.
Tradingansätze
Welche Tradingansätze gibt es bzw. erscheinen sinnvoll? Zu
welchem Traderprofil rechnen Sie sich bzw. welches bevorzugen Sie
nach Ihrem bisherigen Wissen?
1. Der Charter
Er tradet ausschließlich nach dem Chartbild und hoffentlich
nach dem, was er sieht und nicht was er
meint, zu sehen. Im Chart steckt die Wahrheit. Alle Ängste,
Hoffnungen, Erwartungen und das gesamte Marktsentiment können
Sie daraus entnehmen.
Jedoch meint man oft etwas zu sehen was nicht da ist, was man sich
nur wünscht, gerne hätte, erhofft oder erwartet. Dies
tritt jedoch oftmals nicht ein bzw. die überwiegende Anzahl
der weiteren Marktteilnehmer sieht diese Situation nicht so, unter
Umständen auch gar nicht oder interpretiert den Chart in völlig
anderer Weise. Einige Trader verfallen auch der irrigen Meinung,
den Chart in irgendeiner Weise beeinflussen zu können, sei
es durch Wünsche oder vermeintlicher Gedankenkraft. In aller
Regel wird auch die Anzahl der eigenen Kontraktzahl dafür zu
gering sein.
Als chartorientierter Trader arbeiten Sie mit Widerstands-, Unterstützungs-
und Trendlinien sowie mit Trendkanälen. Sie ziehen geeignete
Indikatoren und Oszillatoren zu Rate. Spezialisten stellen sich
Ihre Indikatoren individuell ein, suchen schon Signale bevor alle
Anderen diese sehen (weshalb?) und verwenden weitere, verfeinerte
Indikatoren der zweiten Ebene zur Bestätigung der Indikatoren
aus der ersten Ebene.
Sie bedienen sich dem Hilfsmittel der technischen Analyse mit allen
bekannten Vorteilen und Nachteilen.
2. Der Newstrader
Dieser wartet eine bestimmte News ab oder macht sich auch die Nachrichtenlage
eines kürzeren Zeitraumes zu Nutze. Er plant seinen Börsentag
sorgfältig und versucht gezielt, vor allem bei Volatilitäten
in die Märkte einzusteigen.
Hierzu ist es erforderlich, dass Sie einen Realtime Nachrichtenticker
zur Verfügung haben, über den die wichtigsten Börsennews
(ad-hoc) bereits im Zeitpunkt der Veröffentlichung gesendet
werden. Sie sind dann in der selben Sekunde informiert wie die vorgenannten
Profis und können entsprechend analysieren und sofort reagieren.
Gegenüber vielen weiteren Marktteilnehmern (unprofessionelle)
gewinnen Sie dadurch einen wichtigen zeitlichen Vorsprung, den es
gilt, in der Summierung der Trades in Geld umzuwandeln.
Bedeutung der News
70% |
davon können Sie lesen und sofort wieder
vergessen. |
25% |
sollten Sie im Sinn erfassen und im Gedächtnis
abspeichern (dient zur Einschätzung der aktuellen Marktsituation
und zur Erfassung des Sentiments, also der vorherrschenden Marktstimmung). |
5% |
sind Top-News.
Darum geht es! Denn diese haben die Eigenheit, Kurse unmittelbar
oder nur mit kurzen Zeitverzögerungen zu beeinflussen.
Egal, ob short oder long. |
Einteilung der Top-News
Gestatten Sie mir eine Abstufung nach Wichtigkeiten,
ohne dass diese Aufstellung den Anspruch auf Vollständigkeit
erhebt:
Priorität A
- EZB Zinsentscheidung
- US Zinsentscheidung
- US ISM Index verarbeitendes Gewerbe
- US ISM Index nicht verarbeitendes Gewerbe
- US Auftragseingänge
- US Index des Verbrauchervertrauens
- US Arbeitsmarktdaten
- US Lagerbestände
- US Einzelhandelsumsatz
- US Erzeugerpreise
- US Haushaltssaldo
- EU Verbraucherpreise Eurozone
- US BIP
- US Index Einkaufsmanager Chicago
Priorität B
- EU Einkaufsmanagerindex
- EU Einzelhandelsumsatz
- EU Arbeitsmarktdaten
- US Produktivität
- US Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe
- US Industrieproduktion und Kapazitätsauslastung
- DE und EU Geschäftsklimaindex
- US Frühindikatoren
Priorität C
- DE Einkaufsmanagerindex
- US Bauausgaben
- EU Erzeugerpreise
- DE Einzelhandelsumsatz
- DE Arbeitsmarktdaten
- DE Auftragseingang
- US Import-Exportpreise
- DE BIP
- US Verkauf bestehender Häuser
Wichtig:
Diese Daten können Sie nicht isoliert sehen, da sie alleine
für sich auch nicht die absolute Aussagekraft haben. Die Zahlen
müssen im Zusammenhang mit der vorherrschenden Marktstimmung
bewertet werden ob sie diese verstärken, ändern oder nur
im Rahmen der Erwartungen waren.
Beispiel:
Sie wissen aufgrund Ihres Nachrichtentickers in
der Vorschau bereits welche wichtigen Wirtschaftszahlen im Laufe
der nächsten Woche zu welcher Uhrzeit veröffentlicht werden.
Genau 5 Minuten vor Bekanntgabe erhalten Sie im Regelfall eine Prognose
führender Analysten, welches Ergebnis erwartet wird. In diesen
300 Sekunden machen Sie sich damit vertraut und legen Ihre Strategie
für den Zeitpunkt X fest.
Nun kommt die erwartete Wirtschaftszahl über
die Ticker.
Überlegung 1
Sie sind nun gefordert, diese Daten schnellstens zu analysieren,
sich eine Meinung zu bilden, den Markt zu verfolgen und eine Tradingentscheidung
zu treffen.
Überlegung 2
Noch wichtiger: Wie könnte die Mehrzahl der Börsianer
im jetzigen Zeitpunkt diese Zahlen interpretieren. Nämlich
dies bewegt die Kurse und nicht Ihre Entscheidung mit nur einem
oder in der Summe wenigen Kontrakten.
Montag, 02.12.2002:
15.55 Uhr Prognose |
US ISM Index Verarbeitendes Gewerbe Nov. Prognose
51,0
US ISM Index Auftragseingänge Nov. Prognose 50,9
|
16.00 Uhr Zahlen |
Verarb. Gewerbe 49,2
Auftragseingänge 49,9 |
Beide Zahlen waren wesentlich schwächer als
erwartet und dies noch dazu in einem positiven Tagesumfeld. Die
nächsten 3 Candlesticks, die auf jeweils 3 Minuten eingestellt
waren, zeigen die sofortige Marktkorrektur. Innerhalb von 9 Minuten
fiel der Markt im Eurostoxx 50 um 30 Punkte. Nach einer kurzen Seitwärtsbewegung
ging der Markt weiterhin auf Talfahrt bis er um 17.09 Uhr bei 2.656
Punkten sein Tagestief erreichte.
Fazit:
Es ist zu erkennen, dass vor allem in der ersten Phase mit relativ
geringem Risiko ca. 20 Punkte machbar waren. Auch die 2. Phase bot
eine gute Gewinnchance, jedoch mit etwas erhöhtem Risiko!
3. Das Chamäleon
Darunter verstehe ich eine individuelle Mischung
aus beiden vorher genannten Varianten. Sinn und Zweck eines überlegten
und intelligenten "Privattradings" ist es doch, seine
Möglichkeiten und Vorteile auszuspielen, die eigenen Grenzen
zu erkennen, das gebotene System optimal zu nutzen, grundsätzlich
wenig eigenes Geld einzusetzen bzw. zu binden, damit eine hohe Hebelwirkung
zu erzielen, Verlustrisiken durch Stopps sinnvoll einzugrenzen.
Daher sollten Sie von der aktuellen Marktstimmung
ausgehend gezielt im Rahmen von kursbewegenden News traden und die
Möglichkeiten der technischen Analyse flankierend nach Ihren
individuellen Möglichkeiten einbauen. Je nach Situation wählen
Sie Ihre Angriffspunkte um das richtige Schwert für die konkrete
Situation.
Besonderheit:
Auch beim bevorzugten Handel auf News unter der
genannten Verwendung der technischen Analyse kommt es zu Fehltrades!!
Erklärbare Gründe hierfür sind u. a.:
- Einige vordergründig clevere Trader eröffnen bereits
kurz vorher eine Position in der erwarteten Richtung, mit der
Absicht, einen günstigeren Einstiegspreis zu erzielen.
- Manche Male wird auch in der Kürze der Zeit eine Fehlentscheidung
in der Interpretation der Nachricht getroffen.
- Größere Anleger versuchen Ihr besonderes Spiel zu
treiben.
Diese eröffnen sofort bei der Nachricht z.
B. eine Longposition mit hohem Volumen. Der Marktpreis zieht sekundenschnell
nach oben und es entsteht eine imposante Longkerze. Nun, im Gefühl
des sicheren Trades (geht ja in der erwarteten Richtung), springen
viele kleinere Trader auf die vermeintliche Rally auf. Im nächsten
Moment liquidiert der "große Trader" seine Position
und zieht den Markt damit nach unten. Die kleinen Trader werden
durch diese Aktion größtenteils ausgestoppt oder sie
verlieren die Nerven und stellen ebenfalls glatt.
Zinssenkung der EZB am 06.12.2002 um 13.45 Uhr
Fazit: Es wurde gut verdient, jedoch leider von den "Großen"!
Und fast als Zugabe existiert dadurch wieder ein tiefer Marktpreis,
der nun als erneut interessantes Einstiegssignal dient.
Bitte beachten Sie weiter:
Weshalb sollten Sie vor
09.00-09.30 Uhr nicht traden?
Weil hier die "over-night-trader" ihr eigenes Spiel treiben,
nämlich die Gewinner machen Kasse und die Verlierer sind um
Schadensbegrenzung bemüht. Daher ist auch die erste Kursrichtung
meist nicht mit der späteren Tagesrichtung identisch.
Was sollten Sie um 15.30
Uhr beachten?
Jetzt kommen auch die US-Boys in die Märkte, was für
mehr Umsatz und damit schnellere Marktverläufe steht. Daher
könnten Sie jetzt Ihrem Absicherungsstopp 4-5 Punkte mehr Spielraum
einräumen.
Warum nimmt die Häufigkeit
längerer Trendverläufe ab?
Das Tradingverhalten hat sich die letzten 1-2 Jahre radikal
verändert. Gewinne werden wesentlich früher realisiert
(bereits nach 5-6 Punkten) auch auf die Gefahr hin, einen Trend
vorzeitig zu verlassen. Die Angst sitzt vielen im Nacken und verhindert
ein "planmäßiges Trading".
Ist ein Arbeiten mit
Stoppmarken zu empfehlen?
Generell ja und mit unbedingt maschinellen Absicherungsstops.
Ansonsten ist die Leidens-/Zusehzeit im Verlustfalle zu groß.
Die mentale Stärke den Knopf für das Glattstellen der
Position zu drücken ist doch bei vielen nicht so ausgeprägt,
wie wir es gerne hätten.
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